Bückler, Johannes, genannt „Schinderhannes“

Johannes Bückler, genannt „Schinderhannes“
* Herbst 1779 in Weidenbach oder Miehlen bei Nastätten
† 21.11.1803 in Mainz (hingerichtet)
Vater: Johannes Bückler (Bickler), Scharfrichterknecht, Schinder, Feldschütz, Bauer
Mutter: Anna Maria, geb. Schmidt, Tagelöhnerin

Biografie

Johannes Bückler entstammte einer Familie von Scharfrichtern und Schindern, womit ihre Mitglieder auf der sozial niedrigsten Stufe innerhalb der sogenannten unehrlichen, also unsauberen bzw. unlauteren Berufe standen. Der junge Bückler verbrachte die ersten vier Lebensjahre in Miehlen bei Nastätten (Taunus), bis die Familie wegen eines Leinwanddiebstahls 1783 fliehen musste und bettelnd bis nach Ölmütz in Mähren zog, wo sich der Vater als Soldat anwerben ließ. Als der Sohn neun Jahre alt war, desertierte der Vater und zog mit seiner Familie nach Merzweiler in den Hunsrück.

Hier lag auch der Beginn der kriminellen Karriere des jungen Bücklers, vermutlich kurz vor seinem 16. Geburtstag. Dreimal brach er eine Lehre bei Wasenmeistern (= Abdeckern / Schindern, zu deren Aufgaben u.a. die Beseitigung von Tierkadavern und die Heilung kranken Viehs gehörten) ab, die letzte aus dem Grund, da sich herausgestellt hatte, daß er mehrfach heimlich Viehdiebstähle unternommen hatte. Während seiner Lehrzeiten nannte man ihn erstmals Schinderhannes. Aus der Zeit zwischen 1796 und Anfang 1799 sind von ihm allein 38 Vieh- und Pferdediebstähle (sowie einige Warendiebstähle) bekannt, wobei er meist erfahrenere Ganoven begleitete. Motivation seines Handelns war dabei „die Aussicht auf ein frohes lustiges Leben und die geringe Bedeutung von (Vieh-) Diebstählen.“

Seine kriminelle Energie wuchs jedoch: So wurde er Teilnehmer bzw. Mittäter an der Ermordung des Plackenklos, eines herumstreunenden Gauners, sowie des Juden Seligmann. Nach seiner Flucht aus dem Turm zu Simmern, wo er von Februar bis August 1799 einsaß, ging er mehrheitlich zu Erpressungen und Raubüberfällen über, die er zumeist in Gemeinschaft von durchschnittlich fünf Mittätern verübte. Ingesamt beging Bückler mindestens 69 Straftaten dieser Art. Dadurch aufmerksam geworden, erließ Generalregierungskommissar Jollivet am 7. Dezember 1800 einen Beschluß, in dem die „schleunige Arretierung und Bestrafung (eines) Namens Pickler, genannt Schinderhannes, und mehrerer anderer Straßenräuber, die ihn für ihren Anführer erkennen (…)“ angeordnet wurde. Erstmals wurde er hier als Räuberhauptmann bezeichnet, eine Behauptung, die sich heute allerdings anhand der historischen Quellen nicht aufrechterhalten lässt, da es weder eine Bande, noch eine dauernde Führung durch Bückler gab. Letztendlich war der Mythos Schinderhannes allein durch die Tatsache entstanden, daß Bückler bei seinen Überfällen seinen Namen als Druckmittel benutzte (anders als die großen Verbrecher jener Zeit, die ihre Identität geheimzuhalten versuchten). Politik, Presse und Romanschreiber nahmen diesen Namen auf und entwickelten bald eine von der historischen Figur völlig losgelöste Person namens Schinderhannes.

Ein erst vor kurzem entdecktes Schinderhannes-Bild stützt diese neuen Forschungsergebnisse: So sah ihn die leidgeprüfte Landbevölkerung lediglich als Nichtsnutz, Pferdedieb, Kinderschreck und Taugenichts. Die kleinen Leute kannten ihn offenbar gar nicht als „Räuberhauptmann“ oder „Robin Hood“, wie er heute gerne gesehen wird! Die nach Jollivets Verordnung im Dezember 1800 verstärkt fortgeführte Fahndung führte dazu, daß Bückler sich immer öfter rechts des Rheins aufhielt. Hier war er bald als fahrender Händler unter dem Pseudonym Jakob Ofenloch unterwegs, ab April 1800 begleitet von seiner neuen Lebensgefährtin Julia Blasius. Am 31. Mai 1802 stellte ihn ein Streifkommando bei Wolfenhausen (Nähe Limburg). Da er sich nicht ausweisen konnte, suchte er einer Bestrafung durch Anwerbung beim österreichischen Militär zu entgehen. Nachdem jedoch die wahre Identität des „gedankenlosen Herumstreichers“ ans Licht gekommen war, leitete das Peinliche Verhöramt in Frankfurt/Main ein Strafverfahren gegen ihn ein, das wegen seiner Auslieferung an Frankreich in Mainz fortgeführt wurde. Durch Bücklers Aussagen konnten bald mehr als 100 Tatbeteiligte festgenommen werden.

Zahlreiche Tatbeteiligungen an Gewaltverbrechen sowie die ungeheure Brutalität, mit der er bei Überfällen vorgegangen war, stellten sich erst (wie vor kurzem wiederentdeckt) in der Hauptverhandlung heraus. Erstaunlicherweise waren diese Ergebnisse in der Geschichtsschreibung nie berücksichtigt worden, wodurch der Mythos vom „edlen“ Räuber scheinbar ungehemmt wachsen konnte. Lediglich 54 Taten wurden in die Anklage übernommen, da sich das Verfahren wegen des großen Aufwands und der zahlreichen Zeugenaussagen verzögert hatte.

Bückler, der in Mainz mit der Guillotine gerichtet wurde, hinterließ mindestens drei Kinder.

Literatur

  • Mark Scheibe, Die Strafjustiz in Mainz und Frankfurt/M. 1796-1803 unter Berücksichtigung des Verfahrens gegen den Serienstraftäter Johannes Bückler, genannt Schinderhannes, 1802/03, Mainz (Diss.) 2009, 332 Seiten.
  • Mark Scheibe, Schinderhannes. Nichtsnutz, Pferdedieb, Räuberhauptmann?, Kelkheim, 5. Auflage, 2010, 488 Seiten.

(beide Veröffentlichungen sind Teil einer 2009 abgeschlossenen Promotion an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, in der u.a. erstmals eine Zusammenstellung aller seiner heute nachweisbaren Taten und Mittäter erfolgte)

Dr. Dr. Mark Scheibe, Hofheim-Marxheim
Heft 144 | Stand: 09/2010