Nadig, Heinrich Jakob

Heinrich Jakob Nadig
* 30.08.1901 in Gemünden
† 27.01.1975 in Gemünden
Vater: Christian Nadig
Mutter: Margarete, geb. Dick

Biografie

Am 20. Juli 1938 gab Adolf Hitler dem Antrag des NSDAP-Kreisleiters Heinrich Nadig auf Entlassung aus seinem Amt statt, weil er sich seinem Beruf widmen will. Ob das der wahre Grund des Entlassungsgesuchs war, blieb Nadigs Geheimnis. Gut möglich, dass sich ihm die Nazi-Ideologie mehr und mehr entfremdet hatte. Jedenfalls testierten mehrere Personen dem ehemaligen Kreisleiter nach Kriegsende ein Verhalten, das aus Sicht der NSDAP durchaus Grund zu Beanstandungen hätte geben können. Die bei hohen Funktionsträgern erwartete vorbildliche nationalsozialistische Linientreue sah wahrscheinlich anders aus.

Neben anderen bezog auch der Gemündener Pastor Felix Schreiner 1949 ganz ausführlich Stellung für Nadig. Dieser „Persilschein“ während der Entnazifizierungsphase dürfte eines der entscheidenden Argumente dafür gewesen sein, dass das Ermittlungsverfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Freiheitsberaubung und Körperverletzung (gegen Separatisten am 18.7.1933) des Landgerichts Bad Kreuznach gegen den ehemaligen Kreisleiter 1951 eingestellt wurde.

Schreiner äußerte sich in seinem „Zeugnis für Herrn Heinrich Nadig“ folgendermaßen: …Ich wunderte mich oft, dass er sich nicht scheute, in der Öffentlichkeit mit mir zu sprechen und auch in seinem Wagen mich öfters mitzunehmen … Mein Vorgänger … Jakobs stand im schwersten Kampf gegen den Nationalsozialismus und forderte diesen in seinen Reden und Besprechungen ständig heraus. Nach Mitteilung des Bischöflichen Generalvikariats Trier lag gegen ihn ein großes Bündel Anklageschriften vor. Trotzdem ist meinem Vorgänger nie etwas geschehen. Man sagte mir in Gemünden verschiedentlich, dass es dem Kreisleiter Nadig zu verdanken sei, dass Pastor Jakobs nie etwas geschehen sei … Eines Tages machte ein Unterbannführer von Simmern bei einem Großappell der HJ in Gemünden beleidigende Äußerungen über den Papst und den Bischof. Ich habe diese ausfallenden Bemerkungen … schriftlich nieder gelegt und diese dem Kreisleiter Nadig persönlich ausgehändigt.

Als er meine Anklage gelesen hatte, sagte er zu mir: „Wenn er das gesagt hat, dann fliegt er!“ Nach kurzer Zeit verschwand auch wirklich dieser Unterbannführer… Man hörte öfter im Volke, dass Herr Nadig als Kreisleiter wegen seiner milden Art wohl doch nicht sehr geeignet sei. Schließlich hat er diesen Posten verlassen und ist dann Bürgermeister in Gemünden geworden. Er blieb immer vornehm und anständig, wenn er auch in seinen religiösen Anschauungen Nationalsozialist war…Da ich die Verhältnisse in Gemünden … von 1934 bis 1947 erlebt habe, kann ich mir ein objektives Urteil erlauben.

Nadig wurde am 30. August 1901 in Gemünden als Sohn eines evangelischen Landwirts geboren und übernahm als Erwachsener den elterlichen Hof. Sein Heimatort galt als eine der Keimzellen des Nationalsozialismus im Kreis Simmern, wodurch Nadig unweigerlich mit der neuen Weltanschauung schon Ende der 1920er Jahre in Berührung kam. 1928 trat er in die NSDAP ein und war zusätzlich SA-Mitglied.

Bereits 1920 war er angeblich Angehöriger der Völkischen Bewegung. 1928/29 erwarb er sich einen eher zweifelhaften Ruf bei der Teilnahme an mehreren Saalschlachten. Im Herbst 1932 wurde er zum Kreisleiter der NSDAP berufen, 1934 auf Anweisung der NSDAP zum Ersten Kreisdeputierten gewählt. Nach seiner Entlassung aus dem Amt des Kreisleiters fungierte er von 1938 bis zu seiner Einberufung zur Wehrmacht 1939 als Amtsbürgermeister in Gemünden, das in jener Zeit eigenständige Bürgermeisterei war. Im April 1939 gliederte er die Gemeinden Mengerschied, Ravengiersburg und Sargenroth aus dem aufgelösten Amt Ohlweiler ins Amt Gemünden ein. Panzweiler wurde Ortsteil von Gemünden.

Den Zweiten Weltkrieg hat Heinrich Nadig quasi vom ersten Tag an als Soldat miterlebt. Er war in Frankreich, auf dem Balkan, in Italien und Nordafrika eingesetzt. 1944 geriet er in englische Gefangenschaft (bis 1948), nach einer Tätigkeit als Zivilarbeiter in Altrincham kehrte er 1951 nach Deutschland zurück. Der 50jährige betrieb nun wieder sein bäuerliches Anwesen in Gemünden. Er starb dort am 27. Januar 1975 an den Folgen eines Herzinfarkts.

Quellen

  • Beate Dorfey, „Goldfasane“ oder Hoheitsträger der Kreise? Die Kreisleiter im Gau Koblenz-Trier, in: Jahrbuch für Westdeutsche Landesgeschichte 29 (2003), S. 297-424.
  • Franz Maier, Biographisches Organisationshandbuch der NSDAP und ihrer Gliederungen im Gebiet des heutigen Landes Rheinland-Pfalz, Mainz 2007, S. 359f.
  • Privatarchiv Ulla Nadig, Gemünden (dort auch Zitat)

Dieter Diether, Rheinböllen
Heft 137 | Stand: 08/2008