Oelbermann, Karl Julius, genannt „Oelb“

Karl Julius Oelbermann, genannt „Oelb“
* 24.04.1896 in Bonn
† 09.10.1974 auf Burg Waldeck
Vater: Eduard Oelbermann (Kaufmann)
Mutter: Clara Charlotte, geb. Voegler

Biografie

Bis zur Mitte der 30er Jahre verlief Karl Oelbermanns Leben völlig parallel zu dem seines Zwillingsbruders Robert (s. dort), den Karl verehrte und dem er gerne die Führungsrolle in dem von ihnen gegründeten Nerother Wandervogel zugestand. Er selbst fungierte als stellvertretender Bundesführer. Als die Burg Waldeck am 18. Juni 1933 von den Nationalsozialisten besetzt wurde, erklärte er den Bund in Vertretung seines auf „Weltfahrt“ befindlichen Bruders für aufgelöst. Robert Oelbermann revidierte diese Entscheidung nach seiner Rückkehr, musste aber bald den Widerstand aufgeben. Am 8. Februar 1936 wurde der Nerother Wandervogel schließlich offiziell verboten.

Als Robert am 14. Februar 1936 verhaftet wurde, befand sich Karl gerade selbst auf Bundesfahrt in Afrika und entging so der Inhaftierung. Von 1939 bis 1941 war er in Südafrika interniert, danach zog er mit einem Reisekino durch Süd- und Südwestafrika. Nach Deutschland zurückgekehrt, gründete er 1950 den Nerother Wandervogel wieder und gab dessen Zeitschrift „Der Herold“ heraus. Die Bewahrung der von seinem 1941 im KZ ermordeten Bruder begründeten Traditionen wurde ihm zur Lebensaufgabe. So lebte er als „Bundesführer auf Lebenszeit“ auf Burg Waldeck, verehrt von seinen Anhängern und von den Gegner oft als „dicker Karl“ verspottet.

Dem Zeitgeist geschuldete Neuerungen (lange Haare, Blue Jeans, Rauchen, Mitgliedschaft von Mädchen u.ä.) lehnte er ab, Spaltungen seiner Bewegung ignorierte er. Trotzdem konnte der Nerother Wandervogel unter ihm eine zweite Blütezeit erreichen. Von 1960 bis 1978 erwarb der Bund eine zweite Jugendburg, Burg Hohenfels im Taunus. 1971 ließ Karl im Andenken an seinen Bruder Robert eine Glocke gießen, die am 11. Mai 1972 in der Kapelle in Dorweiler geweiht wurde. Später wurde sie in die inzwischen fertiggestellte Burgkapelle auf Burg Waldeck überführt.

1974 wurde Karl Oelbermann das Bundesverdienstkreuz verliehen. Nachdem er noch zweimal die neu entstehende Jugendburg Balduinstein besucht hatte, starb er am 9. Oktober 1974 auf Burg Waldeck und wurde neben seinem Bruder Robert in Dorweiler beigesetzt. Fritz-Martin Schulz wurde am 24. November 1974 sein Nachfolger als Bundesführer der Nerother.

Bis an sein Ende blieb Karl Oelbermann der Jugendbewegung und den Idealen seines Bruders Robert treu. Dieser war wohl der einzige Mensch, zu dem er je eine engere soziale Bindung besaß. Die Auseinandersetzungen mit der aus den Nerothern hervorgegangenen Arbeitsgemeinschaft Burg Waldeck e.V., die ihn 1959 wegen seiner romantisierenden, aber undemokratischen Ideen ausgeschlossen hatte, verbitterten ihn. Zu den neuen sozialen Bewegungen Ende der 60er Jahre fand er ebenso wenig eine Beziehung wie zu den Sängerfestivals auf Burg Waldeck. Trotzdem dominierte seine freundliche Wesensart, die von den Gegnern oft als kindisch oder gar kindlich diffamiert wurde. Dass es viele Menschen gab, die ihn und seine Aufrichtigkeit für sachfremde Zwecke ausnutzten, hat er nie begreifen können. Die Nerother behalten ihn, ohne dessen unerschütterliche Überzeugungen der Bund nicht hätte überleben können, in dankbarer und verehrender Erinnerung.

Literatur

  • Hotte Schneider, Die Waldeck, Lieder Fahrten Abenteuer, Berlin 2005.
  • Winfried Mogge, Oelbermann, Jugendführer, in: Neue Deutsche Biographie, Band 19, Berlin 1999, S. 436.

Dr. Achim R. Baumgarten, Simmern
Heft 146 | Stand: 11/2010