Pies, Diederich

Diederich Pies
* 1590 auf Webersgut bei Kranenburg im Herzogtum Kleve
† 1666 auf Burg Waldeck bei Dorweiler in der Herrschaft Waldeck
Vater: Junker Willem II. Pies zu Uedem
Mutter: Johanna, geb. de Rode van Heeckeren

Biografie

Diederich Pies entstammt einem uralten klevischen Ministerialengeschlecht von Rittern, Burggrafen und Richtern im ehemaligen Herzogtum Kleve. Er wurde um 1590 auf Webersgut bei Kranenburg geboren, trat im Mai 1609 als Soldat bei dem Jungherzog Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg in die Garnison Düsseldorf ein und erhielt bei dem Wundarzt Meister Dietrich Haecks seine ärztliche Ausbildung.

1612 bestand er seine Prüfung als Feldarzt und wurde 1614 zum Feldscherer ernannt. Danach quittierte er den Dienst und heiratete im August des Jahres auf Burg Waldeck im Hunsrück Elisabeth, die 17jährige illegitime Tochter des Ritters Johann (Hans) Philipp Boos von Waldeck zu Montfort (* 06.06.1577 – † 28.04.1577), mit der er fünf Söhne und vier Töchter zeugte.

Als Burgsasse von Waldeck wurde er sesshaft, nahm von 1622 bis 1627 als Regimentsfeldscherer unter Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm in Düsseldorf am Dreißigjährigen Krieg teil, lebte von 1628 bis 1632 auf Waldeck und trat dann wieder als Regimentsfeldscherer in kaiserliche Dienste. 1641 wurde er unter General Peter von Melander zum Obristleutnant ernannt und 1642 wieder dem Kommando von Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm unterstellt, dessen Beichtvater Diederichs Halbbruder, der Jesuitenpater Henrich Pies, war (* 29.08.1607 auf Haus Gravenhorst bei Uedem, † 21.12.1666 auf dem kurfürstlichen Jagdschloss Bensberg).

Nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges nahm Diederich Pies 1648 seinen Abschied vom kaiserlichen Heer und kehrte zu seiner Familie auf Burg Waldeck zurück. Dort wirkte er weiterhin als Wundarzt in den Dörfern der Herrschaft und erhielt bald durch seine spektakulären Erfolge in der Behandlung von Knochenkrankheiten einen legendären Ruf. Seine Kunst bestand vor allem darin, Knochenbrüche zu richten, mit besonderen Salben zu behandeln, eine von ihm entwickelte neue Technik des Knochenschienens anzuwenden und frühzeitig mit Bewegungsübungen zu beginnen, damit keine Versteifung der betroffenen Gliedmaßen eintrat. In der Medizingeschichte gilt er heute als der Begründer der modernen Chiropraktik.

Diederich Pies starb 1666 und wurde neben seiner Ehefrau Elisabeth Boos zu Waldeck (* 1597 – † 1665) in der Kapelle Sankt Barbara auf Burg Waldeck beigesetzt.

Diederich Pies vermittelte seine ärztliche Kunst seinen Söhnen, die als sogenannte Knochenflicker und Salbenkocher auf dem Vorderhunsrück praktizierten. Die Kunst des Knochenflickens wurde über 350 Jahre von Mitgliedern der Familie Pies auf dem Hunsrück ausgeübt. Zahlreiche Dichter und Schriftsteller (u.a. Peter Josef Rottmann, Peter Bohn, Albert Bauer, Josef Moskopp, Antonie Haupt und Werner Helwig) setzten den Knochenflickern Pies ein literarisches Denkmal.

Und im Merian-Heft „Der Hunsrück“ heißt es: „Der Hunsrück hat die deutsche Sprache jedenfalls um ein Wort bereichert: piesacken als Bezeichnung für quälen, Schmerz zufügen, Pein bereiten. Wer weiß schon, dass dieses Wort sich vom Nachnamen der Hunsrücker Bauernfamilie Pies in der Gegend von Kastellaun herleitet? Seit dem Dreißigjährigen Krieg stellte die Familie jahrhundertelang die Knochenflicker. Die Kunst des Knocheneinrenkens und Knochenschienens, auch Piesen genannt, war in der Familie erblich – wie auch die Begabung dazu. Mit primitiven Hilfsmitteln und Intuition haben diese Heilkundigen ohne Staatsexamen und Approbation Tausende verknackster Füße, ausgerenkter Hände, gebrochener Schienbeine oder zersplitterter Armknochen wieder eingerenkt oder gerichtet, geschient und geheilt. Mitunter genügte ja ein kurzer schmerzhafter Handgriff oder Händedruck.“

Literatur (Auswahl)

  • Eike Pies (Hrsg.): Pies – Piesen – Piesacken. Gedichte, Erzählungen, Anekdoten, Stickelcher und Romane, Anmerkungen und Urkunden über eine sprichwörtliche Familie, Band 1 Mönchengladbach-Sprockhövel 1986, Bd. 2 Dommershausen-Sprockhövel 1992.
  • Eike Pies, Geschichte der Hunsrücker Knochenflickerfamilie Pies. Feldscherer und Chirurgen, Salbenkocher, Heilpraktiker und Ärzte, 3. Auflage, Dommershausen-Sprockhövel 2001.
  • Eike Pies, Diederich Pies (1590 – 1666). Eine Biographie, Dommershausen-Sprockhövel 2006.
  • Eike Pies und Ingvild Neufang-Pies, Das Bild des Arztes, Band 2: Das 17. Jahrhundert, Barock 1601 – 1700, Dommershausen-Sprockhövel 2006.

Dr. Eike Pies, Sprockhövel
Heft 132 | Stand: 01/2007